Assimilation als Menschenrechtsverletzung?




Assimilation als Menschenrechtsverletzung?

Beitragvon redaktion » Do 14. Feb 2008, 12:09

Diskussion über Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der die Assimilation als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnete. 200802

Zitat eines Forenmoderators: "Wozu führt denn eine Überanpassung (auch als Assimilation bekannt)?"

Nein, da widerspreche ich, denn Assimilation bedeutet soziologisch, eine andere Kultur oder Teile davon zur eigenen Kultur werden zu lassen.

Wenn Du von "Überanpassung" sprichst, dann wäre "Überassimilation" synonym, aber den Assimilationsbegriff würde ich nicht ins Negative verkehren wollen - und werde dazu möglicherweise auch frühere Texte überarbeiten müssen.


Zitat: "(Assimilation) Sie führt zur endgültigen Entwurzelung und zum Verlust der eigenen Kultur und Lebensweise ..."

Wenn wir Menschen mit Bäumen vergleichen, so tun sich junge Bäume mit der Umpflanzung leichter als ältere.
Ältere Menschen wiederum haben den jüngsten Menschen und den Bäumen gegenüber den Vorteil, dass sie über die Umpflanzung eigenentscheiden, wenn es die Verhältnisse zulassen.
Den Bodenverhältnissen gilt es sich anzupassen, ansonsten geht es schief.


Zitat: "... in dem Versuch, sich einer anderen Kultur und Lebensweise ohne Kompromisse anzupassen."

Es gibt zwar Leute, die das verlangen, aber in der Mehrheit der Deutschen sieht es dann schon differenzierter aus.
Und umgekehrt kenne ich absolut keinen Türken oder sonst wen, der sich in kompromissloser Anpassung versuchen würde.


Zitat: "Letzteres kann aber nur funktionieren, wenn es der Kulturkreis, in den man sich so überanpassen will, zuläßt."

Warum "zulassen", was doch noch eben als schlechtes Szenario erkannt wurde? Damit würde man alle Seiten zum gemeinsamen Nachteil überfordern.

Mal aus meiner Praxis: Beruflich bedingt und privat habe ich jede Menge mit Türken, Kurden und Menschen aus aller Welt zu tun. Als die Fußball-WM ohne Beisein der Türkei stattfand, gab es in meiner Mieterschaft und den Freundeskreisen nicht einen Türken, der nicht zu Deutschland gehalten hätte. Es mag Ausnahmen gegeben haben, aber nicht in meiner Sichtweite.
Das war Ausdruck für eine gelungene Assimilation, beruhend auf Freiwilligkeit, wie den Menschen deutlich anzumerken war, wenngleich sich bei dem einen oder anderen auch eingemischt haben mag, den Anlass zu nutzen, um durch Fähnchen am türkischen Taxi soziales Einvernehmen mit der deutschen Bevölkerung zu demonstrieren. Aber ebenfalls unverkrampft und freiwillig. - Gar nichts spricht dagegen.

Hätte die Türkei an der WM teilgenommen, wäre es sicherlich anders gewesen, denn soweit reicht vielen Türken die Assimilation nicht.

Im Vergleich/Unterschied dazu meine eigenen Assimilationen: Geboren in Dortmund, "umgepflanzt" in ein Kaff südlich davon, ergaben sich in diesem Kaff in Sachen Fußball keine sonderlichen Identifikationsmöglichkeiten, denn die Vereine waren einfach zu schwach.
Wäre ich gefragt worden, wem ich den Titel wünsche, so hätte meine Antwort "Dortmund" gelautet.
Dann "wurzelte ich nach Berlin um". Zunächst mochte ich "Herta BSC" wenig abzugewinnen, schon der Name und die schlechten Leistungen.

Nach und nach identifizierte ich mich mehr mit dieser Stadt, würde also auf die Frage nach meinem Titelfavoriten "Herta BSC" sagen, denn es ist nur zu natürlich, dass es der Stadt "gut gehen" soll, in der es mir gut gehen soll.

Wenn allerdings Endspiel zwischen München und Dortmund wäre, so wäre wiederum "klar, dass ich zu Dortmund halte". Das wäre mir kein "Rückfall", sondern hat seine natürlichen Gründe in eben meiner Biographie. Wäre ich nach München umgewurzelt, sähe es wiederum anders aus. Um Dortmund täte es mir leid, aber dann "sollen sie verlieren".
Und zöge ich nach Dortmund, so würde ich wieder ...

Für mich ist indes kein Fußballspiel irgendwie Drama, denn Fan bin ich einzig meiner Frau. Glaubt sie zwar nicht, denn sie sieht mich zu viel mit der Initiative-Dialog schmusen.

Immerhin zeigt sich an Fußball-Parteilichkeiten ein rasch verständliches Beispiel für die Wirren und Lichter misslingender oder gelingender Assimilation.

Wenn Türken in Deutschland zu Deutschland halten würden, obwohl das Spiel gegen die Türkei geht, dann erst wäre ihnen Deutschland "Heimat" und die Türkei "frühere Heimat" oder "zweite Heimat". Wenn deutsche Türken dennoch zur Türkei und nicht zu Deutschland halten, sollte es auch kein Drama sein, denn dann (so zeigte die WM) ist vielen von ihnen Deutschland immerhin "zweite Heimat" geworden.

Die Fußball-Parteilichkeit ist zwar ein schmales Segment, aber geeigneter Indikator für den Grad von Assimilation (veränderte Identifikation) einerseits und andererseits dafür, dass Assimilation gerade meist nicht den Weg der "Kompromisslosigkeit" geht, sondern den Weg der kleinen Schritte und dabei die Teile aufnimmt, die gefallen. "Ums Ganze" geht es allenfalls ganz wenigen, die sich dann zwangsläufig überfordern.


Zitat: "Erdogan hat teilweise sogar recht: ..."

Der türkische Ministerpräsident Erdogan bezeichnete die Assimilation als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Das ist vollständig falsch, also auch nicht "teilrichtig", denn verbrecherisch wäre allenfalls eine zwangsweise Assimilation in negativer Absicht und Wirkung.

Es ist jedoch in keiner Weise verbrecherisch, wenn Druckmittel erhöht werden, die beispielsweise zum Ziel haben, dass Einwanderer die Amtssprache erlernen, wenn solches Können schon keine Einwanderungsvorraussetzung war; dass Einwanderer die Frauengleichberechtigung respektieren und die Gewaltlosigkeit in der Ehe und Kindeserziehung, die Bekenntnisfreiheit u.v.m., denn das "schulden" sie wie jeder Ureinwohner der hiesigen Rechtsordnung allemal und gleichermaßen.

Die Frage kann allenfalls sein, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden kann und darf, ohne Menschen zu überfordern, denn das kennen viele von uns hoffentlich aus den eigenen Familien, dass Opa sich mit manchen Menschenrechten schwerer tat, die uns heute "selbstverständlich" sind, so dass wir ihm kurz vor der Kiste auch so manches an Kulturrevolution ersparten.

Der Assimilationsbegriff ist von zentraler Bedeutung für die Beschreibung von Prozessen in der multikulturellen Gesellschaft und der globalisierten Welt insgesamt. Der Verunglimpfung dieses Begriffs durch den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan können wir verdanken, wenn wir nun neu und sachlich zu definieren versuchen, was denn schlecht oder gut an Assimilierung sei.

Die weitere Frage könnte sein, ob Assimilation "Gleichmacherei" bedeute, also dem Wesen nach kulturelle Vielfalt verschütte, mithin auch die multikulturelle Gesellschaft?

Wir kennen insbesondere aus unseren Foren recht viele, die der Multikulturalität nichts Positives abgewinnen können. Insbesondere diese Klientel beklagt einerseits fehlende Assimilation, scheint sich andererseits bewusst zu sein, dass jede Vermengung von Teilen immer auch für den größeren Mengenanteil Veränderung mitbringt.
Das ahnen sie zurecht, denn Assimilation und Integration sind für Zuwandernde und Zuwanderungsgesellschaft durchaus ein wechselseitiges Geschäft. Auf einer Party von Journalisten mit ausnahmslos "Ureinwohner-Hintergrund" wurde neben der Kartoffel auch Fladenbrot gereicht - und gegessen.
Die gegenseitige Assimilation ist also ein Ding von Angebot und Nachfrage, während die Monokulturalisten es lieber sehen würden, wenn auf dem Verordnungswege nur die Kartoffel wäre. Das aber genau darf nicht Gesetz sein, sondern wäre allenfalls ein netteres Beispiel für eine Norm von Traditionsvereinen, die ich jedem zur Wahrung seiner persönlichen Identitätswahrung gönne, was immer er darunter versteht und anderen die Freiheit belässt.

Also bin ich Herrn Erdogan für dieses Thema dankbar, wenngleich es abenteuerlich ist, wenn ausgerechnet ein Premier eines Staates gegen Assimilation spricht, der durch Leugnung kurdischer Geschichte und Identität aus seinen Konflikten nicht rauskommt.

Und ganz klar, dass ich Erdogan auch nicht dafür dankbar sein mag, was er an Diffamierung bezweckte und veraltete Geister weckte, so beispielsweise auch in der deutschen Politik, wenn nun die Empörung größer als die Aufklärung würde. Wenn beispielsweise Leute wie CSU-Huber solch Anlass willkommen ist, um die Türkei für die EU-Mitgliedschaft zu disqualifizieren, und wenn zugleich davon Rede ist, Erdogan habe sich "in die inneren Angelegenheiten eingemischt", obwohl das Ob von Einmischungen gar nicht in Frage stehen sollte, sondern einzig und allein das Wie.
Auch Huber ist die EU, aber hat längst nicht die geistige Reife, um die EU in ihrem positiven Potential zu nutzen. Dann nämlich macht man es umgekehrt: "Hallo Herr Erdogan, Sie irren aus den und den Gründen. Und die EU besteht auf Assimilierung. Also legen Sie der Türkei nicht unnötig weitere Hindernisse in den Weg."

Nun liegt es an jedem, die Wogen zu glätten statt aufzupeitschen, denn im Aufgepeitschten tut sich das Ruder schwerer.

- markus rabanus - >> http://www.Diskussionen.de

Oberbegriffe >> Assimilation, Integration, Multikulturelle Gesellschaft, Fremdenfeindlichkeit

Politiker >> Erdogan
redaktion
Administrator
 
Beiträge: 65
Registriert: Fr 30. Nov 2007, 18:48

von Anzeige » Do 14. Feb 2008, 12:09

Anzeige
 

Re: Assimilation als Menschenrechtsverletzung?

Beitragvon redaktion » Fr 15. Feb 2008, 10:41

Multikulturelle Einflüsse

Mario schrieb am 14.02.2008 15:55 Uhr:
Sollte eigentlich der Normalfall sein, denn nur so gibt es eine Weiterentwicklung der Gesellschaft.

@Mario, wen zitierst Du?
Bitte immer mit Anrede oder mit Nennung des Zitierten.

Mario schrieb: Absoluter Blödsinn, oder sind beispielsweise die Frauenbewegung oder die 68-Revolution durch Einwanderung entstanden?

Stimmt.

Mario schrieb: Eine (relativ große) homogene Gesellschaft kann sich auch ohne äußere Einflüsse weiterentwickeln.

Stimmt auch. Sogar jeder Einzelne kann sich weiterentwickeln.

Mario schrieb: Was glaubst du eigentlich, wie Kulturen entstanden sind?

Aus eigenen Antrieben und aus vielen "äußeren" Einflüssen. Du scheinst eine Reagenzglas-Theorie zu vertreten.

Mario schrieb: Man muss erstmal etwas entwickeln, damit man sich austauschen kann...

Wem fehlt das Eigene?

Mario schrieb: Ich gehöre wohl der Gruppe 2 an.

Das war schon klar, aber das beruht eben auf hinterwälderischen Trugschlüssen.

Grüße von Sven
redaktion
Administrator
 
Beiträge: 65
Registriert: Fr 30. Nov 2007, 18:48

Re: Assimilation als Menschenrechtsverletzung?

Beitragvon redaktion » Fr 15. Feb 2008, 10:42

Wie weit muss die Anpassung minimal und maximal gehen?

Florian schrieb am 14.02.2008 12:27 Uhr:
Nach meinem - und offensichtlich auch Erdogans - Verständnis ist "Assimilation" aber im Gegensatz zur "Integration" etwas Negatives, weil es eben nichts von der ursprünglich eigenen Identität übrigläßt, Sven.

Jedermanns eigene freie Entscheidung, wie weit ihm Assimilation geht, ob nur als Fußball-Fan oder als Obama, der einerseits Familienangehörige in Afrika besucht, sich jedoch vollständig als "Amerikaner" identifiziert.

Florian schrieb:Vereinfacht gesagt: Assimilation = Einseitige "Über-Integration" in eine fremde Gesellschaft und Aufgabe/Verlust der eigenen Wertvorstellungen/Wurzeln.

Jeder soll will mit seinen "Wurzeln" tun dürfen, was er möchte und funktioniert. Und sind die zunächst fremden Wertvorstellungen weniger wert?

Die Begriffskombi "Einseitige Über-Integration" halte ich schon deshalb für inpraktikabel, weil sie die Begriffe "Assimilation" und "Integration" durcheinander bringt.

Integration bedeutet Einbeziehung. Diese setzt je nach Einbeziehungsbereich spezifische Assimilation (=Anpassungen) voraus.

So wird ein indischer Wissenschaftler zur Integration in deutsche Wissenschaftsinstitutionen nur die englische Sprache beherrschen müssen, in aller Regel schon mitbringen, während ihm der Behördenkrams vielleicht von der Uni-Verwaltung erledigt wird. Sein Assimilationsaufwand ist minimal, seine Integration entspricht seinen Erwartungen und den Erwartungen an ihn.

Florian schrieb: Michael Jackson wäre z.B. ein Beispiel für Assimilation eines "Farbigen" in die "Welt der Weißen".

Die Vita des MegaStars Michael Jackson weist eher Muster auf, wie sie im Kontext von Künstlern Muster erkennen lassen, also in Richtung Exklusivität, weniger in Richtung Anpassung, Assimilationsdiskurs.
Dass ihm Teile seiner Fan-Gemeinde oder Gegner die ein oder andere Entwicklung kritisieren, weil solch MegaStar eben nicht nur Bewunderung, sondern auch Neid erntet, deutet eher auf Assimilationsproblem seiner Fan-Gemeinde oder Gegner hin.
Das sind leider ganz gewöhnliche Erscheinungen, mit den sich beispielsweise auch türkische oder kurdische Musiker herumschlagen müssen, wenn ihnen Leute aus ihrer Herkunftssippe "Verrat" u.ä. vorwerfen.

Es gibt m.E. weder "Über-Assimilation" noch "Über-Integration", oder müsste einem Türken verwehrt sein, so zu leben wie ich es tue? Hätte er dann weniger? Viele hätten mehr, als ihnen der türkische oder kurdische Kontext bietet, zumal viele Migranten nicht deren Oberschicht zugehören, sich in ihrem Herkunftsland Existenznöten ausgesetzt sahen, die sie überhaupt erst zu Migranten werden ließen. Und nicht etwa, um der deutschen Gesellschaft "Entwicklungshilfe" zu leisten, sondern in der Hoffnung auf ein wohlständigeres Leben, wie es als Wunsch aller Menschen keine Sonderlichkeit hat und gleichberechtigt sein sollte.

Auf Assismilation und Integration können Migranten nur insoweit verzichten, wie sie in Parallelgesellschaften ausreichende Existenzgrundlagen finden, aber das wäre immerhin wie "China-Towns". Ob das wirklich erstrebenswert ist, würde ich bezweifeln, sonst würden bessergestellte Türken und Kurden nicht aus den Quasi-Ghettos von Berlin-Neukölln usw. in andere Bezirke umziehen/"umwurzeln" wollen, obwohl dort mehr Assimilation = Anpassung erwartet wird.

Florian schrieb: Integration = gegenseitiger, wechselhafter Prozess, in dem die eigene Identität/die eigenen Wertvorstellungen mit denen der fremden Gesellschaft kombiniert und in möglichst großen Einklang gebracht werden - von Seiten des Integrationswilligen, wie von Seiten der aufnehmenden Gesellschaft.

Sicherlich, denn wie gesellschaftliche Prozesse ohne Gegenseitigkeit kaum vorstellbar sind. Das bedeutet jedoch, dass auch die aufnehmende Gesellschaft nicht überfordert darf, wie es etwa der Fall wäre, wenn nun inmitten eines Einfamilienhaus-Wohngebietes eine Moschee mit Lautsprecher-Minaretten errichtet würde, was allerdings auch keine muslimische Gemeinde fordert, bei einigen aber sicherlich auch aus dem Grund, weil es "noch nicht durchsetzbar" wäre. Das macht die Skepsis und den Widerstand seitens der Mehrheitsbevölkerung. Eine schwierige Sache, denn von Verfassungswegen dürfte es keine Benachteiligung in der Glaubensausübung geben.

Florian schrieb: Es mag sein, dass die wissenschaftliche Definition eine andere ist, Sven, im "allgemeinen Sprachgebrauch" der Betroffenen wie auch von Menschenrechtsgruppen, usw. wird es wie oben skiziert verwendet.

Das werde ich demnächst gründlicher prüfen, denn es würde keinen Sinn machen, wenn Begriffe so umgedeutet werden dürften, dass sie nichts mehr mit dem zu tun haben, was sie besagen. Dass Begriffe durch ihre Gebräuchlichkeit zu anderem Sinn mutieren können, ist zwar häufig, aber die Frage muss sein, was dadurch gewonnen wird oder ob nicht in viel größerem Umfang Nachteile entstehen:

1. Integrationshindernisse, denn Anpassung muss sein, z.B. Spracherwerb, Anerkennung und Einhaltung des staatlichen Gewaltmonopols, Unverletzlichkeit der pluralistischen Gesellschaft, ...

2. Diskriminierung von Assimilierten, wenn "Assimilierter" zum Schimpfwort wird.

Sehr wohl sehe ich auch eine Reihe von Motiven, die Menschen gegen die Assimilation reserviert machen, wenn sie in der Geschichte oder in ihrem Herkunftsland schlichtweg ihrer Identität beraubt wurden, ihre Muttersprache verboten, ihre Namen geändert wurden usw., aber wie uns der Missbrauch von Freiheit nicht die Freiheit an sich auf die Negativliste bringt, sondern nur diejenigen, die den Missbrauch treiben, so sollte es auch mit der Assimilation sein. Über die Methoden ist Streit unvermeidlich, je größer die Rücksichtslosigkeiten auf allen Seiten sind.

Florian schrieb: Gruppe 3: Diejenigen, die Jegliche Form von Migration komplett ablehnen und unter sich bleiben wollen (die "Deutschland den Deutschen-Fraktion").

1. Die "unter sich bleiben wollen" - das gibt es natürlich auch bei Migranten,

a) wenn Assimilierte ihnen nicht als Brücken zur Mehrheitsgesellschaft dienen, sondern einfach nur die Seite wechseln, obwohl auch das niemandem angekreidet werden sollte,

b) weil häufig genug die Anpassungsbemühungen Einzelner zwar groß sind, aber ohne den Erfolg, von der Mehrheitsbevölkerung angenommen zu werden. Dann sprichst sich die Erfahrung des "Identitätsverlusts" herum, weil es nicht durch neue Identität kompensiert wurde.

2. Die "unter sich bleiben wollen" - bei Deutschen: Überwiegend doch wohl deshalb, weil ihnen die Nachteile der Einwanderung die Vorteile zu überwiegen scheinen. Dadurch geraten menschenrechtliche Abwägungen in den Hintergrund.
Und immerhin hat die Migration ihr Hauptmotiv seltener in menschenrechtlichen, politischen Gründen, sondern in den Erwartungen auf mehr Wohlstand. Dann aber kann nicht verwundern, wenn die Mehrheitsgesellschaft die Migranten danach beurteilt, was sie zum Wohlstand der Mehrheitsgesellschaft beitragen oder kosten.

Dass solche Debatten mit Nationalismus und Rassismus einhergehen, also ausblenden, dass dadurch Migranten Rechte verwehrt werden sollen, die man sich selbst nur allzugern gewährt, darauf müssen wir hinweisen. Aber das wird nicht genügen, sondern es braucht eine Integration zum Vorteil aller, um dem Nationalismus und Rassismus den Boden zu entziehen. Und dazu muss Assimilation sein.

Zusammenfassen möchte ich es wie folgt:

1. Was es zur Integration an "minimaler Anpassung" braucht, entscheidet sich danach, welche Integration angestrebt wird, ob die Einbeziehung in die Mehrheitsgesellschaft gefordert ist oder der Verbleib in Diaspora-Gesellschaften und "Parallelgesellschaften".

2. Was zur Integration an "maximaler Anpassung" möglich ist, darf nur die Entscheidung des Einzelnen sein.
Begriffe wir "Überanpassung" oder "Überintegration" halte ich für kontraproduktive Schreckgespenster, die dem Einzelnen zustehende Optionen vermiesen und erschweren.

LG von Sven
redaktion
Administrator
 
Beiträge: 65
Registriert: Fr 30. Nov 2007, 18:48

Re: Assimilation als Menschenrechtsverletzung?

Beitragvon redaktion » Sa 16. Feb 2008, 11:59

Anstatt sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, dass Millionen Türken ihr Glück in fernen Ländern suchen, verurteilte der türkische Ministerpräsident Erdogan die Assimilation als Menschenrechtsverletzung. Der Begriff Assimilation ist allerdings auch zwischen den Foren-Initiatoren umstritten.
redaktion
Administrator
 
Beiträge: 65
Registriert: Fr 30. Nov 2007, 18:48


TAGS

Zurück zu Minderheiten

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron